Franzobel

Trompetenbaum

Bernhard ist hauptberuflich Hypochonder. Er muss nur von einer Krankheit hören, schon hat er sie. Ach ja, Theaterautor ist er auch noch. Sein Stück mit den vierzig Chinesen war ein Flop. Jetzt möchte er die Geschwüre der Gesellschaft durchleuchten und gleichzeitig seine körperlichen Hysterien kurieren. Was ist naheliegender als eine Satire über Krebs zu schreiben? Das findet seine zweite Ehefrau Franzi, Schauspielerin und Mutter seines Kindes, gar nicht komisch. Denn Franzis Vater Adam hat wirklich Krebs, einen Blasentumor. Franzis Mutter Julya ist zufällig auf ein Attest gestoßen, das ein baldiges Ableben des geliebten Gatten befürchten lässt. Daher wird Bernhard die theatralische Aufarbeitung von Karzinomen strengstens untersagt. Da kann seine Verlegerin noch so begeistert sein und ihrem Lieblingsautor den endgültigen Durchbruch prophezeien. Mutter und Tochter beschließen, vor dem Vater so zu tun, als wüssten sie nicht, was sie wissen. Auch Bernhard muss Theater spielen, anstatt für das Theater zu schreiben. Alles dreht sich um das kranke Papilein. Adam wird verwöhnt wie noch nie, Franzi und Juliya lesen ihm jeden Wunsch von den Augen ab. Noch dazu, wo er doch so rücksichtsvoll die Krankheit verheimlicht, um seine Liebsten zu schonen. Ein Klassentreffen schützt der gute Mann in seiner Selbstlosigkeit vor, um sich heimlich auf den Operationstisch zu legen. Bernhard brennt es unter den Nägeln, das verlogene Getue in seinem verbotenen Stück aufzudecken. Als Franzi ihm Herzlosigkeit vorwirft, platzt ihm der Kragen, und er sagt seinem Schwiegervater, dass alle wissen, was er verschweigt. Doch Adam erfreut sich bester Gesundheit. Auch sein Arzt bestätigt ein offensichtliches Missverständnis. Nun glauben aber alle, dass er krank ist. Sollte man da nicht alles nachholen, was man nie verbrochen hat, wo man doch sein ganzes Leben lang vernünftig und unsympathisch war? Mutter und Tochter erfahren allerdings, dass Adam weiß, dass sie wissen. Und bald wissen sie auch, dass Adam weiß, dass er doch nicht krank ist. Adam weiß allerdings nicht, dass sie wissen, dass er das weiß. Was soll das also mit dem Klassentreffen? Die Damen werden misstrauisch. Denn nicht nur die frühere Flamme des Vaters, sondern auch ein unehelicher Spross schleicht im Garten herum und lässt Mutter und Tochter um ihre Zukunft bangen. Ein zweckentfremdeter Schwangerschaftstest treibt die familiäre Turbulenz auf die Spitze, und der französische Butler Wladimir hat alle Hände voll zu tun, die Wogen in diesem durchgeknallten Haus zu glätten. Dabei ist alles, wie so oft im Leben, ganz harmlos. Denn wer hätte gedacht, dass hinter all den Heimlichkeiten ein simpler Trompetenbaum steckt? Franzobel hat seine Liebe zum Boulevard entdeckt und liefert mit seiner ersten Liaison eine eigenwillig schräge Komödie. Und es wäre nicht Franzobel, würde er nicht auch auf diesem Gebiet Tabus brechen. Ein Lustspiel über Krebs? Ist das nicht sehr gewagt? Ist es- und doch kratzt der Autor, der sich nebenbei gnadenlos selbst persifliert und tiefe Einblicke in eine Künstlerehe gewährt, auf liebenswerte Weise die Kurve. Man kann herzhaft lachen über egomanische Schreiberlinge, Hypochonder und scheinbar Kranke, die ihre Krankheit nutzen, um einmal so richtig auf den Putz zu hauen. Da jeder vor dem anderen etwas zu verbergen hat, kommt es natürlich zu folgeschweren Turbulenzen, zu guter Letzt aber zu einer Fehldiagnose und hiermit zum happy-end, bei dem sich alle bester Gesundheit erfreuen. Bis auf den von Phantomschmerzen geplagten Autor natürlich.

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