Werbung Liebe Zuckerwatte
Franz und Marie sitzen im Romantik-Waggon eines Riesenrades. Unter ihnen herrscht Chaos im Freizeitpark. Ein Terroranschlag wurde angekündigt, das Riesenrad soll gesprengt werden. Zwischen Schießbuden und Geisterbahnen bricht Panik unter den Menschen aus. Die Polizei, die Stimme des Rechts, verhandelt mit den schwarzuniformierten Männern, der Stimme des Terrors. Marie liebt Helden, und Franz soll jetzt ein Held sein. Doch das gelingt ihm nicht so ganz. Dabei weiß er alles über die Staatsgewalt und ist ihr treu ergeben. Er wäre selbst der beste Polizist geworden, die Uniform hätte ihm wie keinem anderen gepasst, aber man hat ihn wegen seiner geringen Körpergröße nicht in die Polizeischule aufgenommen. Auch für Marie ist er eine Nummer zu klein. Seinen Heiratsantrag lehnt sie ab. Außerdem ist ihr seine Nase zu buckelig. Sie schreitet zur Tat und wirft den Verlobungsring auf die Terroristen, doch sie trifft nicht. Franzschmeißt mit Gürtel und Schuhen, aber auch er verfehlt die Terroristen. Werden ihre Körper von der Bombe zerfetzt? Wo bleibt der rettende Düsenjet? Während Marie kämpferische Sprüche klopft, vertraut Franz dem Schutz der Obrigkeit. Er ist enttäuscht von Maries Abfuhr. Über die Imbissbuden will er sich verstreuen und sein Fleisch auf einen Hot Dog fallen lassen. Plötzlich klettert der Parteivorsitzende ins Abteil und will ihnen Geld schenken. Als Retter der politischen Landschaft fordert er sie auf, ihn auf Lebenszeit zu wählen. Dafür dürfen sie seine Brust zärtlich berühren. Marie tut es, denn sie ist eine, die sich niemals nicht verführen lässt. Sie unterschreiben die Formulare. Jetzt haben sie kurz vor ihrem frühen Ende ihre Heimat auf Erden gefunden. Ihre Hoffnung. Ihren Engel. Der Parteivorsitzende wird langsam nervös. Er ist der Drahtzieher des Terrors und hat die Aktion als WERBUNG für seine sehr neue und sehr lustige Partei inszeniert. Und auch, um die Schwächen des Sicherheitsapparats aufzudecken. Die LIEBE einer Polizistin, die nun hurtig den Waggon besteigt, hat ihn bestärkt. Sie sollte ihm eigentlich als Verbündete und Angebetete die Staatsgewalt vom Leib halten. Jetzt will sie von ihm nichts mehr wissen. Die Terroristen verabschieden sich und wünschen eine angenehme Heimreise. Hilflos sind die Vier der Polizei ausgeliefert, die ungehindert Schüsse auf den Waggon abfeuert. Die Situation eskaliert. Zur Ablenkung will der Parteivorsitzende in qualvollen Mengen ZUCKERWATTE verteilen lassen. Franz und Marie hängen an einem dünnen Seil über dem Abgrund. Was passiert, wenn sie den Boden erreichen? Mario Wurmitzer beschreibt das Absurde real und das Reale absurd. Eine Komödie mit pointierten Verstörungen, deren Turns ins Surreale gezielt überhöhen, aber nie die Bodenhaftung verlieren. Die präzise Ironisierung legt einen desolaten Gesamtzustand offen. Wurmitzer reduziert sich nicht nur auf ein spezielles Thema: Bedrohung, Fremdbestimmung, Terror, Liebe und Staatsapparatur – alles fließt mit einem gewaltigen Schuss Komik ineinander und trifft Wahrheiten, die erheitern und verunsichern. Zwischen Ohnmacht und Aufbegehren scheinen Wurmitzers Figuren sich immer absichern zu wollen. Sie streben nach Heldentum und verteidigen das Banale. Sie fragen nach Gefühlen, um sie nicht auszuleben. Sie klammern sich an Haltegriffe und stürzen im nächsten Moment ab. Sprachlich geht das Stück in seiner sachlich komischen Pathetik neue Wege.
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